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Der Prozeß

An folgenden Tagen fand der Prozeß statt:

08.11.05 ab 09.30 Uhr Zeugenvernehmung
09.11.05 ab 09.30 Uhr Zeugenvernehmung
11.11.05 ab 09.00 Uhr Gutachter
15.11.05 ab 16.00 Uhr Urteilsverkündung


Mit freundlicher Genehmigung der OSTSEE-ZEITUNG:
Artikel der Prozeßberichterstattung


Plädoyer der Eltern und des Bruders

Gehalten im Strafverfahren gegen Maik Schulze vor dem Landgericht in Rostock am 11.11.2005.

Hohes Gericht, verehrter Vorsitzender,

Mein Name ist Jörg Scholz (43), ich bin der Vater von Carolin. Neben mir sitzen meine Frau Martina (41) und unser Sohn Martin (20). Wir möchten in den folgenden Ausführungen verdeutlichen, was Carolin für ein Mensch war, was wir glauben, was aus ihr geworden wäre, und welche Erwartungen wir an diesen Prozess haben.

Wir wussten, dass wir eine glückliche Familie waren. Das haben wir uns oft vor Augen gehalten. Wir hatten keine Probleme.

Carolin war ein wertvoller Mensch und einzigartig. Wir glauben, dass wir mit folgenden vier Wesenszügen sie vorstellen können.

Carolin war ein liebevoller Mensch. Die Zuneigung die wir ihr gaben, haben wir 1000-fach zurückerhalten. Sie wusste, wann wir getröstet werden wollten, wann sie uns drücken sollte.




Häufig sagte sie zur Mama: „Du bist die beste Mutter der Welt!“ Sie hatte es im Gefühl zwischen den Zeilen zu lesen. Sie besaß eine hohe emotionale Intelligenz.
Ihre Bindung zur Familie war extrem stark. Noch kurz vor ihrem tragischen Tod philosophierte sie, dass sie sich eine Trennung von der Familie für einen beginnenden beruflichen Werdegang jetzt noch nicht vorstellen könnte. Auch ein Studienjahr im Ausland käme nicht in Frage. Sie wollte zuhause bleiben. In ihren kurzen Abwesenheitszeiten im Urlaub rief sie mindestens einmal täglich an.
Sie hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie äußerte sich sehr kritisch, aber konstruktiv. Manchmal, wenn wir mit unserem Sohn Martin kritisch sprechen mussten, stellte sie sich mutig vor ihn und verteidigte ihn. Durch ihre Argumente hatte sie so eine entwaffnende Art auf uns Eltern. Ihre Einwände waren diplomatisch vorgebracht. Wir fühlten ihre Harmoniebedürftigkeit.
Carolin war sehr kommunikativ. Sie pflegte ein riesiges Netzwerk an Freunden, Verwandten und Bekannten. Das war deutlich an den hohen Telefon-, Fax- und Internetkosten zu spüren. Wie gerne wünschen wir uns diese heute zurück.
In ihrer Entwicklung war Carolin gerade an einer Stufe angelangt, wo sie zu einer Beraterin heranwuchs und mehr Verantwortung übernahm. Ihre Meinung war uns viel wert. Beim gemeinsamen Shoppen, wenn ich eine Hose anprobierte, gab sie mir den Tipp:
„Ach Papa, diese Hose macht dich 20 Jahre älter“. Uns fehlt diese Beratung sehr.
Wissen Sie eigentlich, was HEGDL heißt? Hab’ euch ganz doll lieb. Solche Zettel fanden wir oft, wenn sie morgens vor uns aus dem Haus musste. Wir haben kürzlich noch die Papiertonne abgesucht, um diese nun wertvollen Erinnerungen zu verwahren. Manchmal brachte sie uns das Frühstück morgens ans Bett oder bekochte uns mit ihren liebevollen Kreationen. Es fehlt. Ihre große Liebe Maximilian (Maxe) war für uns eine neue Erfahrung. Sie dauerte ein Jahr. Wir waren gemeinsam im Winterurlaub in Teneriffa. Es ist so schön, dass wir Carolin diese gemeinsame Zeit mit Maxe ermöglichen konnten.
Sie war sehr tierlieb. Wir fanden unlängst einen Weihnachtswunschzettel aus der Grundschulzeit. Darauf wünschte sie sich eine Menge Tiere. Es sollten aber alles „Babytiere“ und „Mädchen“ sein.

Ihre Kinderliebe war einzigartig. Sie liebte es, sich mit Kindern zu beschäftigen. In ihrem Ferienjob bei der Mutter-Kind-Kur des Arbeiter-Samariter-Bundes ASB kurz vor ihrem Tod, berichtete man uns, dass Carolin die Gabe hatte, weinende Kinder in ihrem Arm zu beruhigen. Sie hatte so eine Ausstrahlung.

Carolin war künstlerisch sehr begabt. In all ihren Werken fühlte man ihre Kreativität. Noch an ihrem Todestag bemalte sie für die Kinder in der Kureinrichtung eine Innentür mit einer lebensgroßen „Arielle“.
Sie hatte sehr viel Freude am Schenken. Dieser Umstand macht es uns heute sehr schwer, die verteilten Kunstwerke aufzuspüren. So hat sie viele bleibende Zeichen verteilt.
Sie war auch sehr musisch. Ob es nun in der Badewanne war oder am Telefon, sie sang sehr gerne. Kürzlich fanden wir ein kleines Video, das drei Wochen vor ihrem tragischen Ende aufgenommen wurde. Darin singt sie: „Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich, so fröhlich?“ Lange Zeit spielte sie im Mandolinenorchester in Graal-Müritz.

In der Tat. Ihre Lebensfreude war ihr an der Nasenspitze anzusehen. Sie war fröhlich und konnte Menschen schnell aufheitern. Gerade in den letzten gemeinsamen Monaten mit ihrem Freund Maxe spürten wir ihr rasches Erwachsenwerden. Dennoch hat sie sich ihre kindliche Freude erhalten können.

Das bemerkenswerteste Wesensmerkmal war jedoch ihr Ehrgeiz. Carolin wusste immer, was sie wollte. Das Lernen fiel ihr nicht leicht. Einmal sagte sie im Spaß zu ihrem Bruder Martin, dass er ihr wohl die ganze Intelligenz weggeerbt hätte. Wir beruhigten sie damit, dass sie ja nicht Mathematikprofessor werden müsse. Sie kompensierte alles mit Fleiß. Ein bis zwei Stunden lernte sie jeden Tag zusätzlich. Wenn sie Mama ankündigte, dass sie um 15:00 Uhr in den Vokabeln abgehört werden wolle, konnten wir danach die Uhren stellen. Über Fax und Telefon spannte sie selbst Opa aus Doberan in die Hausaufgaben ein. Der einsetzende Lernerfolg stärkte ihr Selbstbewusstsein. Vor den Prüfungen im Gymnasium in der 10. Klasse organisierte sie sich selbst Nachhilfeunterricht in Mathematik. Wir waren stolz, dass sie mit einem guten Durchschnitt in die 11. Klasse versetzt wurde.

Sie hatte immer ihre Pläne. Nach dem Gymnasium wollte Carolin studieren. Durch ihr Organisationstalent wollte sie einen Beruf in Richtung einer Eventmanagerin ergreifen. Sie wäre bestimmt sehr erfolgreich geworden und hätte spürbare Zeichen in ihrer Umwelt gesetzt.
Sicherlich hätte sie eine Familie gehabt. Vielleicht hätte sie uns als Großeltern mit zwei oder drei Enkelkindern besucht. Sie wäre eine liebevolle Mutter geworden. Das wissen wir.

Deshalb erwarten wir von diesem Prozess Aufklärung. Wir haben unsere geliebte Tochter verloren. Martin seine liebe Schwester, Maxe seine erste große Liebe, die Großeltern eine einfühlsame Enkelin, die Verwandten eine Cousine/Nichte, die vielen Freundinnen und Freunde einen lieben und ehrlichen Menschen. Alle vermissen eine geschätzte Beraterin. Es gibt nicht nur die drei Opfer, die hier sitzen. Es sind einige hundert Opfer!

Herr Maik Schulze, bitte helfen Sie uns! Wenn der Brief an ihre Eltern ehrlich gemeint war, dann sollten Sie wissen, was Eltern für Gefühle zu ihren Kindern haben. Was geschah am 15. Juli 2005 im Wald?!!! Was hat Carolin gesagt?!!! Helfen Sie, die Ungewissheit aufzuklären!!! Helfen Sie uns und den anderen Opfern!!! Helfen Sie ihrer Familie! Bringen Sie einmal etwas zu Ende! Sprechen Sie!

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